In verschiedenen Schweizer Medien wie der Thurgauer Zeitung oder dem St. Galler Tagblatt erschien bereits im März ein Artikel von Inka Grabowsky. Hier wurden wir als Duftexperten befragt und freuen über diese schöne Veröffentlichung.
An der Nase herumgeführt
Parfüm-Experten beschreiben das Unbeschreibliche: Düfte. Ein Ausflug in eine poetische Welt
«Wir nutzen Sprachbilder, die ohne den Zusammenhang skurril wirken können.» Duftblogger Harmen Biró preist Parfüms in Worten an.
«Ein femininer ambrierter Duft voller Charakter», «ein Gourmand-Parfüm», «hesperidisch in der Kopfnote»: So oder ähnlich werden Parfüms auf der Etikette angepriesen. Wer einsteigen möchte in die wundersame Welt der Duft-Beschreibung, muss eine Menge Vokabeln lernen.
«Die Fachsprache hilft, bestimmte Sachverhalte treffend zu beschreiben», sagt Duftblogger Harmen Biró. «Was ist ein Chypre-Duft, was ein Fougère und was ein Florientale? Wer es weiss, ist bei einer entsprechenden Beschreibung schnell im Bilde.» Biró ist eigentlich promovierter Skandinavist und Literaturwissenschaftler. Gemeinsam mit seiner Frau Julia, einer Diplombiologin, testet er Parfüms für das «Duft- Tagebuch» des deutschen Onlinehändlers «Aus Liebe zum Duft». Die beiden wenden sich nicht nur an Duft-Connaisseure, sondern auch an Laien – und schaffen dabei ganz eigene Metaphern: «ein grünes Feuer ohne Rauch», «die üblichen Verdächtigen aus der Zitrus-Gang», «ein olfaktorisches It-Girl».
Entstanden seien diese Formulierungen durch freies Assoziieren, so Harmen Biró. «Aber es bleibt schwierig, Sinneseindrücke zu beschreiben.» Julia Biró ergänzt: «Wir wollen die Leser mitnehmen. Deshalb nutzen wir Sprachbilder, die mitunter ohne den Zusammenhang skurril wirken.»
Ein historischer Fehler
Noch lustigerer findet die Bloggerin allerdings Fehl-Übersetzungen. «Wir lesen gelegentlich in deutschen Produktbeschreibungen von Bernstein-Noten. Das kommt vom englischen Amber für Bernstein, aber der riecht natürlich gar nicht. Gemeint ist Ambra, das den Duftakkord namens Amber massgeblich mitprägt.» Seit die Furcht vor kultureller Aneignung um sich greift, wird «ambriert» mitunter als Ersatz für «orientalisch» benutzt.
Ein historischer Fehler machte «hesperidisch» zum Synonym für Zitrusdüfte. Die Hesperiden sind in der griechischen Mythologie Nymphen, die einen Baum mit goldenen Äpfeln bewachen. Als im Mittelalter die Zitronen in Europa verbreitet wurden, lag der Gedanke nahe, dass die goldgelben Früchte eben jene Äpfel waren. Dummerweise stammen die Zitronen aus Indien, nicht aus dem Mittelmeerraum. Die Hesperiden haben also sicher nicht nach Zitrusfrüchten gerochen.
Die Komplexität der Nomenklatur
Wer Parfüms beschreibt, muss auf drei Ebenen agieren. Die Duftstoffe müssen von Akkorden und Familien unterschieden werden. Duftstoffe werden aus der Natur destilliert oder extrahiert. Je nach Konzentration und Reinheitsstufe spricht man hier dann noch von «Absolues» oder der Vorstufe «Concrète».
Bei den chemisch hergestellten Duftmolekülen braucht man diese Unterscheidung nicht. Sie sind schliesslich immer gleich, was sie für Allergiker übrigens leichter verträglich macht. «Einige Produkte der Riechstoff-Chemie sind sehr innovativ und mit nichts in der Natur vergleichbar», erklärt Harmen Biró, «dann sind sie naturgemäss umso schwerer zu beschreiben.»
Duftstoffe kann man kombinieren. Das sind dann die Akkorde, die eigene Namen tragen. Und schliesslich gehören Parfüms zu Duftfamilien. Einige der Familiennamen erschliessen sich leicht: Was nach Süssigkeiten riecht, gehört zur Gourmand-Familie. Für anderes muss man sich in der Geschichte der Parfümerie gut auskennen. 1917 schuf François Coty das Parfüm «Chypre» und damit ein Vorbild für unzählige ähnliche Produkte. «Fougère» hatte dasselbe Schicksal – ein Parfüm von Paul Parquet aus dem Jahr 1882, aber inzwischen generisch für Nachahmer. Ein Sonderfall ist «Kölnisch Wasser» oder «Eau de Cologne».
Hier hat es das Parfüm des Kölners Johann Maria Farina aus dem Jahr 1709 sogar zu einer ganzen Gattungsbezeichnung für leichte Parfümöl-Wasser-Alkohol-Mischungen gebracht. Alkohol mit Duft zu versetzen war damals eine neue Idee.
Chemie, versteckt unter blumigen Begriffen
Der Schweizer Parfümeur Andreas Wilhelm nutzt im Gespräch selbstverständlich die üblichen Duft-Fachbegriffe. Meist bezieht man sich auf das vor fünfzig Jahren entwickelte «Duftrad» von Michael Edwards, das Gerüche auf einem Farbkreis anordnet. «Im Direkt-Geschäft mit den Konsumenten muss ich anders beschreiben», sagt er. «Ich vermittle Bilder, mit denen die Menschen etwas anfangen können. Mitunter braucht man dafür Fantasie. ‹Kashmir› soll das Gefühl von Wärme – das Umarmende – hervorrufen, nicht wirklich den Geruch, den ein alter Pullover mit sich bringt.»
Das dufte Vokabular
ambriert
Dieser Duft enthält Ambra, also die synthetische Version eines wachsartigen Klumpens aus dem Verdauungssystem des Pottwals, aber im Duftakkord gelegentlich auch noch viel mehr.
aldehydisch
Damit sind synthetische Duftstoffe gemeint, die sehr unterschiedlich riechen können und gegebenenfalls keine natürlichen Vorbilder haben.
animalisch
Ursprünglich aus tierischen Sekreten von Biber, Wal oder Moschusochse, heute aus Preis- und Tierschutzgründen im Labor hergestellt.
balsamisch
Ein Akkord aus harzig, holzig, und süsslich – wenngleich Parfümeure das Wort «süss» vermeiden.
hesperidisch
Damit werden alle Arten von Zitrusfrüchten beschrieben.
narkotisch
Nicht wie in der Beatmungsmaske auf dem OP-Tisch, sondern ein Duftakkord mit angeblich berauschender Wirkung.
Petrichor
Wie Sommerregen auf heissem Stein.
Chypre
Eigentlich Zypern, aber hier ein Familienname für die Kombination aus Cistrosenharz, Zitrus und Patschuli.
Fougère
Französisch für «Farn». Das Parfüm prägte eine Duftfamilie, die Lavendel, Eichenmoos und Cumarin (riecht nach frischem Heu) nutzt.
Floriental
Florale und orientale Duftfamilie, in der Blumen auf Gewürze treffen.
Gourmand
Schokolade, Karamell, geröstete Nüsse – eine süsse Duftfamilie.
Die Parfümindustrie führe mit der Sprache die Leute ein bisschen an der Nase herum, so Wilhelm.
«Das menschliche Gehirn will eben immer verstehen. Und mit der Beschreibung geben wir eine Interpretationshilfe».
Mit seinem eigenen Brand «Perfume.Sucks» macht sich der Duft-Experte lustig über seine Branche: «Da nenne ich auf jedem Flakon tatsächlich die exakten Rezeptbestandteile auf das Milligramm genau. Wir wollen volle Transparenz.» So dürfen für einmal Ambroxan, Hivernal oder Hedion auf die offene Bühne – jeweils Duftstoffe, die Chemiker geschaffen haben.
Üblicherweise versteckt man ihre Meisterleistungen unter blumigen Begriffen. «Wenn ‹Bergamotte› auf der Verpackung steht, heisst das: Es ist aus Schalen der Frucht gepresstes Öl im Parfum. So etwas wie ‹Kirschblütenakkord› heisst: Das haben Menschen im Labor geschaffen – was natürlich völlig in Ordnung ist. Aber der Markt hat es wohl gern romantischer.